Wer nicht geliebt wird, kann nicht lieben

Silvana (55) ist eigentlich eine Powerfrau. Und dennoch fühlt sie sich gegenwärtig ohne Antrieb, möchte sich am liebsten im eigenen Haus verkriechen, nichts hören, niemanden sehen. Einen Partner hat sie derzeit nicht an ihrer Seite, Kinder hat sie keine, ihre Mutter ist vor vier Jahren gestorben, ihr 83-jähriger Vater lebt im Pflegeheim. „Was ist nur mit mir los?“, fragte sie ihren Berater.
Die Karten zeigten deutlich die psychischen Probleme an und bestätigten ihre Worte. Doch das Entscheidende war die erste Karte: Im ersten Haus lag der Fuchs. Beim sachkundigen Lebensberater klingeln da die Alarmglocken, handelt es sich doch um eine sehr wichtige Karte an exponierter Stelle mit hoher Aussagekraft.
Der Berater sprach mit Silvana knapp eine Stunde lang. Ein Großteil des Gesprächs drehte sich um ihre Vergangenheit. Silvanas Eltern liebten sich nicht, waren nur zusammen, „weil es sich damals so ergeben hat“. Ihre Mutter sehnte sich Zeit ihres Lebens nach einem anderen Mann, der für sie aber nicht erreichbar war. Ihre Mutter liebte sich nicht, ihre Mutter liebte Silvana nicht – und Silvana liebt sich nicht. In ihrem Leben hat sie zahlreiche Demütigungen hinnehmen müssen – von Kollegen, von vermeintlichen Freundinnen, von ihrem Ex-Mann und sogar als Kind von ihren eigenen Eltern. Auch sexuellen Missbrauch hat sie erlitten.
Sie ist schlank und attraktiv, geht als Frau Anfang 40 durch, sie ist beruflich erfolgreich, finanziell abgesichert und hat klare Vorstellungen von einem Mann, mit dem sie eine Beziehung eingehen würde. Was also kann Silvana tun, um aus der Lethargie zu kommen? Der Fuchs drückte es aus: Er steht für Falschheit und Lüge. In diesem Fall geht es darum, sich nicht selbst zu belügen. Silvana sollte so sein, wie sie ist, denn es ist nicht ihre Aufgabe, andere glücklich zu machen und nach deren Pfeife zu tanzen. Ihr Job ist es, glücklich zu sein. Und das eigene Glück beginnt mit Selbstliebe.
Natürlich kann man einen Menschen mit einem einzigen Beratungsgespräch nicht „umpolen“ und dessen Verhaltensmuster „abschalten“, erst recht nicht nach fünfeinhalb Jahrzehnten. Aber gemeinsam haben Klientin und Berater erarbeitet, welche Schritte Silvana gehen kann, um mit der Selbstliebe zu beginnen. Das fängt beim morgendlichen Blick in den Spiegel an und hört beim abendlichen Ausgehen in attraktiver Kleidung auf. Außerdem will sie ihren Vater im Pflegeheim besuchen und mit ihm über ihre Kindheit sprechen. Denn wer weiß, wie lange sie dazu noch Gelegenheit hat.